In den vergangenen Wochen ist im Sammelkarten-Hobby einiges hochgekocht: Screenshots, API-Dumps, Foren-Threads, Videos – und mittendrin ein Skandal rund um Shill-Bidding, bei dem Namen wie „Probstein“ und die Plattform „Snype“ gefallen sind.
Ich habe das alles sehr aufmerksam verfolgt. Nicht nur, weil es „Drama“ ist, sondern weil es genau die eine Sache trifft, die unser Hobby am meisten benötigt: Vertrauen. Wenn wir bei jeder Auktion überlegen müssen, ob wir gegen echte Menschen oder gegen Geistergebote antreten, macht das Bieten keinen Spaß mehr – und schon gar keinen Sinn.
In diesem Ratgeber will ich dir erklären, was Shill-Bidding eigentlich ist, welche Warnzeichen du kennen solltest und was du tun kannst, wenn du das Gefühl hast, dass bei einer Auktion etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.
Was genau ist Shill-Bidding?
Shill-Bidding bedeutet vereinfacht: künstlich hochgebotene Auktionen.
Das passiert zum Beispiel, wenn:
- der Verkäufer selbst mit einem Zweitaccount mitbietet,
- Freunde oder Bekannte Gebote abgeben,
- verbundene Konten systematisch den Preis hochziehen.
und zwar mit einem Ziel: den Endpreis nach oben treiben, ohne dass wirklich echte Nachfrage dahintersteht.
Wichtige Punkte dabei:
- Für dich als Bieter sieht das aus wie echter Wettbewerb.
- Der Endpreis wird zur „Marktreferenz“, obwohl er manipuliert ist.
- Je höher der Preis, desto größer das Risiko, dass du deutlich zu viel bezahlst.
Shill-Bidding ist unlauter, unfair und schadet uns allen im Hobby.
Aufschlüsselung der englischen Vokabeln
„Shill“
- wörtlich: Lockvogel, Strohmann
- im Kontext von Märkten: eine Person, die so tut, als sei sie ein echter Kunde, um andere Kunden zu beeinflussen
- im Betrugskontext: jemand, der „unter falscher Flagge“ mitbietet
„Bidding“
- wörtlich: Bieten
- bezeichnet den Vorgang, bei einer Auktion ein Gebot abzugeben
Zusammengeführt
Shill-Bidding = Lockvogel-Bieten/Betrügerisches Mitbieten
Der aktuelle Skandal als Weckruf
Im Zusammenhang mit Snype und Probstein kursieren derzeit in der Community Auswertungen und Vorwürfe, dass bestimmte Accounts extrem viele Gebote auf Auktionen abgegeben haben sollen – teils mit Verbindungen zum Umfeld des Anbieters.
Wichtig ist mir an der Stelle:
- Es handelt sich um Vorwürfe und Auswertungen aus der Community, keine gerichtlichen Urteile.
- Trotzdem ist das, was da öffentlich sichtbar wurde, für mich als Sammler ein dicker Warnschuss:
- technische Sicherheitslücken,
- einsehbare Gebotsdaten,
- und Gebotsmuster, die viele als ungesund bezeichnen.
Ich erwähne diesen Fall nicht, um jemanden endgültig zu verurteilen, sondern weil er zeigt, wie verwundbar wir als Käufer sind, wenn eine Plattform technisch unsauber gebaut ist und Konten nicht sauber getrennt oder verifiziert werden.
Warum Shill-Bidding das Hobby langfristig kaputt macht
Shill-Bidding ist nicht einfach „ein wenig bescheißen“. Es zieht eine Kette an Problemen nach sich:
- Verzerrte Marktpreise
Wenn manipulierte Auktionen als Referenz genutzt werden („Die letzte PSA-10 ist für 500 Euro gelaufen!“), dann zahlst du beim nächsten Kauf vielleicht zu viel – egal ob bei einer anderen Auktion oder bei einem Sofortkauf. - Vertrauensverlust in Plattformen und Verkäufer
Wenn du einmal das Gefühl hattest, bewusst ausmanövriert worden zu sein, schaust du bei der nächsten Auktion ganz anders hin – oder bietest gar nicht mehr. - Schlechte Einstiegserfahrung für Neulinge
Wer neu ins Hobby kommt und direkt in manipulierte Auktionen läuft, denkt schnell: „Das ist mir alles zu zwielichtig.“ Und genau diese Leute benötigen wir aber, damit das Hobby gesund bleibt und lebt. - Unfaire Konkurrenz für ehrliche Verkäufer
Wer sauber arbeitet, verliert gegen Verkäufer, die ihre Preise künstlich pushen. Das ist nicht nur moralisch schief, sondern zerstört langfristig ehrliches Business.
Warnsignale im Auktionsverlauf, auf die ich immer achte
Lass uns konkret werden. Das hier sind Muster, bei denen bei mir sofort alle Alarmglocken angehen. Kein Punkt ist allein der Beweis, aber viele zusammen sind ein deutliches Warnsignal.
Auffällige Gebotsmuster
- Ein Bieter taucht immer wieder kurz hinter dir auf
Du bietest, Sekunden später wirst du knapp überboten, immer wieder die gleiche Konstellation – aber dieser Bieter gewinnt erstaunlich selten. - Viele kleine Gebote zum Auktionsende
Lang passiert gar nichts, dann kommt kurz vor Schluss eine Kette von kleinen Gebotserhöhungen, die den Preis sauber ans Limit treiben. - Stark überhöhte Endpreise bei sehr liquiden Karten
Karten mit massenhaft Vergleichsverkäufen liegen plötzlich klar über allen Referenzen. - Immer gleiche „Push-Bieter“
Auf verschiedenen Auktionen desselben Verkäufers tauchen immer die gleichen Accounts auf, die selten den Zuschlag bekommen, aber oft hochbieten.
Verdächtige Verkäufer- und Plattform-Muster
Nicht nur der Gebotsverlauf ist interessant, sondern auch das, was du im Profil siehst.
Verkäuferprofile, die ich mir sehr genau anschaue
- Brandneue Accounts mit nur hochpreisigen Auktionen
Kaum Bewertungen, kein Verlauf, aber direkt High-End-Karten im Auktionsfeuer. - Viele abgebrochene Auktionen
Der Verkäufer bricht häufig kurz vor Schluss ab oder meldet „Artikel nicht mehr verfügbar“. - Ständige Wiederholungen derselben Karte
Eine Karte wird angeblich verkauft – und kurz darauf wieder neu eingestellt. - Gebotslisten immer privat
Erlaubt, aber auffällig, wenn es systematisch passiert.
Plattform-Faktoren
- Neue Plattform ohne saubere Kommunikation
Keine klaren Informationen zu Käuferschutz, Identitätsprüfung oder Regeln. - Extrem niedrige Gebühren ohne klare Sicherheitskontrollen
Wenn niemand erklärt, wie Fake-Accounts und Shill-Bidding verhindert werden, ist Vorsicht angesagt.
Spezielle Hinweise für Sammelkarten-Auktionen
Ich habe mir ein paar Dinge angewöhnt, die konkret helfen. In einem weiteren Ratgeber habe ich auch schon Erkennungszeichen für Scams beschrieben.
Preis-Realität checken
- Für Standardkarten und populäre Raritäten:
- eBay „verkaufte Artikel“ durchgehen,
- Cardmarket-Trendpreise prüfen,
- bei Signatur-Karten andere Plattformen vergleichen.
- Wenn eine Auktion konstant deutlich über allen Referenzen liegt und komische Gebotsmuster zeigt, lasse ich sie bleiben.
Grading-Batches und Serienverkäufe
- Komplette Batches eines Verkäufers, bei denen alle Karten „rekordverdächtig“ enden.
- Besonders kritisch bin ich, wenn:
- alle Karten aus derselben Submission stammen,
- alles per Auktion läuft,
- die Endpreise regelmäßig deutlich über dem Markt liegen.
Mystery-Lots und „Random“-Auktionen
- Große Mystery-Lots mit angeblichem „Mega Value“ sind ideal, um Preise künstlich zu pushen.
- Wenn solche Lots regelmäßig hochlaufen, aber die Käufer nie sichtbar sind, gehe ich weiter.
So schütze ich mich selbst beim Bieten
Hier kommt meine persönliche „Shill-Bidding-Abwehr“.
1. Maximalpreis festlegen – und dann strikt bleiben
Bevor ich biete, frage ich mich:
„Was ist diese Karte mir wert, auch wenn der Markt morgen fällt?“
Ich setze mein Maximalgebot und steige danach nicht mehr ein.
2. Verkäufer und Historie checken
Zwei Minuten Recherche sparen oft hunderte Euro. Ich prüfe:
- Bewertungen,
- andere laufende Auktionen,
- Muster: gleiche Bieter, auffällige Endpreise.
3. Referenzpreise prüfen
- eBay Sold-Listings prüfen,
- Cardmarket & andere Plattformen vergleichen,
- lieber zu günstig aussteigen als zu teuer gewinnen.
4. Nicht in Gebotskriege hineinziehen lassen
Wenn einer dich ständig knapp überbietet, steig aus. Viele Shill-Bieter spekulieren genau darauf.
Was du tun kannst, wenn du glaubst, betroffen zu sein
1. Dokumentation sichern
- Screenshots vom Gebotsverlauf,
- Verkaufsseite sichern,
- Bezugspreise dokumentieren.
Das hilft dir im Zweifel bei Plattform oder Anwalt.
2. Plattform kontaktieren
- Viele Plattformen haben Anti-Shill-Richtlinien.
- Beschreibe sachlich deinen Verdacht.
- Bitte um Prüfung und Rückmeldung.
3. Rücktritts- oder Widerrufsmöglichkeiten prüfen
- Je nach Plattform und Land gelten unterschiedliche Rechte.
- Bei Täuschung kann auch „Anfechtung/Betrug“ relevant werden.
4. Bewertungen ehrlich schreiben
Wenn es wirklich schieflief, kannst du im Rahmen der Regeln andere Sammler warnen.
Was wir als Community tun können
Shill-Bidding lebt von Intransparenz. Je mehr wir hinschauen, desto schwerer wird es.
- Transparenz schaffen
Verdächtige Muster sachlich teilen. - Preisexplosionen hinterfragen
Ein Ausreißer ist kein Marktpreis. - Händler und Plattformen an ihren Taten messen
Wie reagieren sie auf Kritik? - Alternative Wege nutzen
Direktkäufe, lokale Börsen, vertraute Sammlergruppen.
Mein Umgang mit Auktionen nach dem Snype-/Probstein-Thema
Seit dem aktuellen Skandal hat sich bei mir einiges verändert:
- Ich nutze Auktionen gezielter und seltener als Preisreferenz.
- Ich verlasse Auktionen sofort, wenn mir etwas „off“ vorkommt.
- Ich kaufe häufiger direkt:
- über feste Preise,
- über Sammler, die ich kenne,
- oder über Shops mit solider Reputation.
Und ganz wichtig:
Ich lasse mir den Spaß am Hobby nicht nehmen, aber ich schaue genauer hin.
Wenn dieser Ratgeber dazu beiträgt, dass du beim nächsten Bieten zweimal hinschaust und im Zweifel lieber eine manipulierte Auktion liegen lässt, dann hat der ganze Skandal zumindest eine gute Seite: Wir werden als Community kritischer, wacher und hoffentlich auch ein wenig lauter, wenn es um Fairness im Hobby geht.
Schon mal Kontakt zu Shill Bidding gehabt? Schreibt mir gerne eure Erfahrungen.


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